Ursachen

Ursachen des Autismus
Zum Thema Ursachen oder Ätiologie der autistischen Störung haben sich seit Ende der 1990er Jahre viele neue Erkenntnisse ergeben.

Man hat bei Untersuchungen von autistischen Menschen im neurologischen Bereich eine Vielzahl an Besonderheiten gefunden, deren Interpretation allerdings nicht einfach ist, gerade was die Frage anbelangt, ob es sich um ursächliche Aspekte oder Folgephänomene handelt. Diese Frage stellt sich z. B. bereits bei Geburtskomplikationen: Sind diese Ursache für spätere Entwicklungsauffälligkeiten oder ist die schwierige Geburt bereits eine Folge einer Entwicklungsstörung? Beides ist möglich.

Grundsätzlich lassen sich die Besonderheiten, die man bei Autismus findet, auf zwei Ebenen beschreiben, einerseits auf der Ebene des Gehirns oder überhaupt des Nervensystems (die neurobiologische Ebene), andererseits auf der Ebene des Erlebens und Verhaltens (die psychische bzw. psychologische Ebene).

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Neurobiologischer Ansatz
An dieser Stelle sei Prof. Dr. MARTIN SCHMIDT zitiert:
"Denn daran, dass autistische Störungen entwicklungsneurologische Störungen sind, also mit abweichenden Entwicklungen des Zentralnervensystems zu tun haben, besteht kein Zweifel. Das schließt nicht aus, dass Verhaltensweisen autistischer Menschen von der Umwelt verstärkt, geändert oder abgeschwächt werden können."

Ausschlaggebend für diesen Erklärungsansatz war schon immer die Tatsache, dass Autismus im Zusammenhang mit bekannten neurologischen Erkrankungen oder einer feststellbaren Schädigung auftreten kann. Als Erkrankungen können genannt werden: Rötelninfektion der Mutter während der Schwangerschaft, Phenylketonurie, fragiles X-Syndrom, Rett-Syndrom (bei Mädchen), tuberöse Sklerose und andere. Geburtskomplikationen findet man bei Autismus vermehrt (im Vergleich zur Gesamtbevölkerung), allerdings gilt dies auch für viele Gruppierungen innerhalb des Behindertenbereichs - und muss darum, wie wir bereits gesehen haben - auch nicht ursächlich sein.

Um innerhalb des Nervensystems die Störung zu finden, die spezifisch zu Autismus führt, wurde in den letzten Jahren in verschiedensten Bereichen Forschung betrieben:
a) Es lassen sich Veränderungen im Gehirn nachweisen, auch in der Ausreifung des Gehirns
     (s. u. "Morphologische Befunde", morphologisch = die Gehirnsubstanz betreffend)
 b) Es gibt biochemische Befunde, es zeichnet sich jedoch keine klare Linie diesbezüglich ab. Es gibt die
      Diskussion, ob Lebensmittelunverträglichkeiten bei Autismus eine Rolle spielen.
c) Es gibt Auffälligkeiten in EEG-Ableitungen, außerdem in Ableitungen, die die Konzentration und auditive
     Verarbeitung anbelangen.
Neurobiologische Besonderheiten
a) Morphologische Befunde
Es gibt Hinweise auf ein vorübergehend beschleunigtes Hirnwachstum (damit einhergehend ein
vergrößerter Kopfumfang) bei ca. 1/3 der Betroffenen (unabhängig von der Intelligenz) in der Kindheit.
Diese Befunde verweisen auf eine Hirnentwicklungsstörung, die erst nach der Geburt aktiv wird.
Früher bereits festgestellte hirnanatomische Veränderungen im Kleinhirn, im Stammhirn, im limbischen
System (Amygdala) konnten bestätigt werden. Die Ergebnisse sind komplex, es handelt sich um
Besonderheiten in der Zelldichte und -größe. Die Veränderungen sind eventuell vom Alter abhängig und
lassen auf eine Ausreifungsstörung schließen, die bis vor die 30. Schwangerschaftswoche zurückgeht.
Es gibt Hinweise auf mangelnde Verbindungen zwischen subkortikalen und kortikalen Hirnstrukturen.
b) Biochemische Befunde
Hier sind die Ergebnisse nach wie vor diffus. Auffällige Serotoninwerte*, (eine Erhöhung des Serotonin-Plasmaspiegels) wurden bestätigt. Enttäuschenderweise ließ sich jedoch kein Zusammenhang zum Ausmaß an Stereotypien und Selbstverletzung feststellen. Eine Behandlung mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern hatte allerdings durchaus Einfluss auf die Verhaltensauffälligkeiten.
Besonderheiten im Dopamin-Stoffwechsel* ließen sich bisher nicht nachweisen, unübersichtlich ist die Situation bezüglich hormoneller Veränderungen (eventuell. erhöhte Tagesausschüttungen von Cortisol).
Seit Ende der 90er Jahre werden Lebensmittelunverträglichkeiten bei autistischen Menschen geprüft. Es gibt Hinweise, dass das Getreideeiweiß Gluten und das Milcheiweiß Kasein nicht komplett abgebaut werden, sondern dass ein Teil der Abbauprodukte (Peptide) ins Blut gelangt und danach in das Gehirn, wo es zu einer Irritation der Hirnreifung kommen könnte. Heutiger Erfahrungsstand ist, dass bei einigen Kindern Lebensmittelunverträglichkeiten tatsächlich eine Rolle spielen, bei vielen anderen wohl eher nicht. Ein Schlagwort seit 1997 war Secretin. Secretin ist ein Hormon, das bei der Regelung der Verdauung eine Rolle spielt. Es wird auch bei diagnostischen Untersuchungen des Verdauungsapparates eingesetzt und durch Zufall wurde bei dem autistischen Jungen PARKER BECK, USA, bei einer solchen Untersuchung eine Verbesserung des Verhaltens und der Aufnahmefähigkeit festgestellt!
Trotz anfänglicher Erfolge brachte Secretin nicht den großen Durchbruch in der Autismus-Therapie.
c) Auffälligkeiten in elektrophysiologisehen Ableitungen
Etwa die Hälfte autistischer Menschen weist
deutliche EEG-Veränderungen auf, mehr diffus als herdförmig. Etwa ein Viertel (25-30%) entwickelt im späteren Leben, meist in der Pubertät, eine Epilepsie. Es gibt Hinweise auf elektrophysiologische Besonderheiten imFrontalhirnbereich, die mit zunehmendem Alter noch deutlicher werden.
Andere psychophysiologische Befunde zeigen, dass die Aufmerksamkeit und die auditive Verarbeitung bei Menschen mit Autimus beeinträchtigt ist.
*) Serotonin und Dopamin sind Neurotransmitter, d. h. biochemische Botenstoffe im Gehirn.
Auf der neurobiologischen Ebene hat sich in den vergangenen 15 Jahren Forschung sehr viel verändert. Früher konnte noch das Bild aufrechterhalten werden vom "eigentlich neurologisch unauffälligen autistischen Kind/ Jugendlichen". Heute wird eine solche Fülle an Besonderheiten gefunden, dass es schwierig ist, die Ergebnisse zu sortieren. Etwa die Hälfte bis Dreiviertel der Betroffenen haben nach Prof. Dr. POUSTKA (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Frankfurt) zumindest leichte neurologische Einschränkungen.
Es kristallisiert sich immer mehr das Bild einer Ausreifungsstörung des Gehirns heraus, die bereits im Mutterleib beginnt (vermutlich vor der 30. Schwangerschaftswoche) und vielleicht lange anhält. Das Gehirn scheint sich nicht so zu strukturieren, wie dies der Fall sein sollte. Es ist z.T. mehr Hirnmasse und eine erhöhte Zelldichte vorhanden bei einer gleichzeitigverminderten Funktion.
Eine verminderte oder veränderte Funktion ließ sich z.B. in einer Studie zur Wahrnehmung von Gesichtern feststellen.
Normal entwickelte Menschen aktivieren bei der Betrachtung von Gesichtern (als sozialer Reiz) eine andere Hirnregion als bei der Betrachtung von Gegenständen (Gesichter: Gyrus fusiformis, Gegenstände: Gyrus temporalis). Menschen mit Autismus aktivieren nur eine Region, sie verarbeiten Gesichter, Gegenstände und Muster gleich ( im Gyrus temporalis).
Ein Gesicht wie einen Gegenstand zu verarbeiten bedeutet jedoch eine starke Reduzierung des Informationsgehaltes!
Markant sind auch andere Stellen, in denen Veränderungen gefunden wurden:
Das Kleinhirn wirkt mit bei der Körperkontrolle und -koordination, außerdem scheint es eine Rolle in
Wahrnehmungsfunktionen zu spielen.
Das limbische System (z.B. die Amygdala) ist wichtig im affektiven Bereich,
Das Frontalhirn ist für höhere kognitive Prozesse verantwortlich, z. B. das Bilden und Verändern von Strategien und deren motorische Umsetzung, d. h. es sorgt u. a. für eine angemessene Flexibilität. - Bei einer schlechten Verbindung von subkortikalen und kortikalen Strukturen kann es zu Schwierigkeiten in der Umsetzung von motorischen Prozessen kommen. Solche Modelle werden schließlich auch innerhalb des Themas "gestützte Kommunikation" diskutiert.
Auch genetische Zusammenhänge zur Entstehung von Autismus müssen erwähnt werden.
Dabei handelt es sich dann nicht um eine erworbene Schädigung, sondern um eine Disposition, um eine Veranlagung.
Zwillings- und Geschwisterstudien legten schon lange nahe, dass genetische Einflüsse in der Entstehung von Autismus eine Rolle spielen können. Diese Vermutung hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr erhärtet. Im Verwandtenkreis von autistischen Menschen findet man eine erhöhte Anzahl von Betroffenen oder Menschen, die „ein bisschen autistisch sind“, die also nicht die ganzen Merkmale einer Diagnose abdecken.

Genetische Verursachung von Autismus?
Die Forschergruppe um Prof. Dr. POUSTKA führte Studien durch mit Familien, in denen mehrere Mitglieder von Autismus betroffen sind. Aufgrund der Ergebnisse dieser Studien kommt Dr. POUSTKA zu dem Schluss: "Die Ursachen des Autismus scheinen fast ausschließlich eine genetische Basis zu haben."  Dabei findet man keine Familienstammbäume mit Autismus, sondern nur eine so genannte horizontale Transmission: Es sind meist nur die Geschwister betroffen. Diese haben nach Prof. Dr. POUSTKA ein Risiko von 3 Prozent, dass sie auch autistisch sind oder werden. Bei eineiigen Zwillingen mit Autismus gibt es hohe Konkordanzraten, d. h. Übereinstimmungen. Nach Prof. Dr. POUSTKA interagieren mehrere verursachende Gene und rufen das Zustandsbild "Autismus" hervor, er geht also von einer "polygenetischen Ursache" aus. Der Erblichkeitsanteil (Heretibilität) ist nach ihm sehr hoch, er liegt seiner Meinung nach sogar bei 91 bis 93%!
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Psychologischer Ansatz
Die Kernaussage bei diesem Ansatz lautet:
  • "Autismus ist eine Wahrnehmungsstörung, autistisches Verhalten entsteht aufgrund verzerrter und chaotischer Wahrnehmung der Umwelt. "

Bei der Frage nach der Ursache für autistische Verhaltensweisen kann man den Schwerpunkt auch auf Funktionen des Gehirns richten, z. B. wie autistisch Behinderte sich selbst und Umweltreize wahrnehmen. Intensive Forschung und inzwischen auch Eigenaussagen von Betroffenen zu diesem Thema machen deutlich, dass gravierende Störungen in der Wahrnehmungsverarbeitung vorliegen.

Körper- und Sinnesbereich
In allen Sinnesbereichen, d. h. in der basalen Wahrnehmung (d. h. die Wahrnehmung des Körpers über Gleichgewicht, Haut, Muskeln und Gelenke), im Sehen, Hören, Riechen und Schmecken können innerhalb jedes einzelnen Sinnes Über- und Unterempfindlichkeiten auftreten.
Auf der nächsten Ebene ist die Verarbeitung von Außenreizen gestört, besonders das Zusammen- führen von Information aus verschiedenen Sinneskanälen (intermodale Verarbeitung). So kann es vorkommen, dass Sehreize sich gleichzeitig auf das Hören auswirken und umgekehrt, oder dass kein Gesamtbild der Sinneseindrücke entsteht u. a. m. Es gibt viele autistische Menschen, die unter Lärmeinwirkung in den anderen Sinneskanälen beeinträchtigt sind.
Auch das Unterscheiden zwischen wesentlichen und unwesentlichen Reizen (Reizselektivität), welches das normal entwickelte Gehirn ständig vornimmt, um uns vor einer Reizüberflutung zu schützen, fällt autistischen Menschen schwer..

Denken, Gedächtnis und andere Funktionen
Bei autistischen Menschen bestehen Schwierigkeiten in der Aufrechterhaltung eines gleichmäßigen Erregungsniveaus. Dies ist für ein effektives Arbeiten des Gehirns notwendig, gerade bei Prozessen, die Aufmerksamkeit und Konzentration verlangen.
Es können wohl auch Probleme in Gedächtnisprozessen bestehen (Übergang vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis), sowie in der Ansteuerung der Willkürmotorik.

Soziale Wahrnehmung
Die Forschergruppe um UTA FRITH hat sich die Frage gestellt, was das Eigentliche, das Typische im Erleben autistischer Menschen ist. Die Frage lautete: "Gibt es einen gemeinsam zugrunde liegenden Mechanismus, der zu Autismus führt?"
Das Puzzle der Defizite autistischer Menschen wurde immer vollständiger. Dabei gab es auch autistische Menschen, die ihre Andersartigkeit erkannten. Zu dem britischen Neurologen RUTTER kam z.B. einmal ein autistischer Jugendlicher und meinte: "Herr Rutter, ich möchte jetzt auch Gedankenlesen lernen. Wenn Menschen sich unterhalten, so können sie dabei doch offensichtlich Gedanken lesen!" Was dieser Jugendliche spürte war, dass er kein Gefühl hatte dafür, was während des Gespräches im anderen vor sich geht.
Solche Defizite hat man in einigen einfachen, aber verblüffenden Experimenten mit jüngeren Kindern festgestellt und mit Aussagen festgehalten wie:

  • Autistische Menschen können nicht lügen.
  • Sie können andere Menschen nicht täuschen.
  • Sie haben kein Gespür für die innere Gedankenwelt einer anderen Person, können sich schlecht in einen anderen hineinversetzen.
  • Sie haben Schwierigkeiten, sich Humor und Ironie zu erschließen.

Gesunde Menschen können intuitiv andere Menschen einschätzen, sie können erspüren, was im anderen Menschen gerade vor sich geht, bzw. Hypothesen bilden über deren Innenwelt.
So wie es abstrakte Begriffe gibt wie Liebe und Vertrauen, die nicht mehr einem konkreten Gegenstand zuzuordnen sind, aber trotzdem irgendwie in unserem Gehirn repräsentiert sind, so speichern wir zu sozialen Situationen auch abstrakte Aspekte ab, wie Meinungen, Überzeugungen, Einstellungen, Emotionalität, usw.
Autistischen Menschen fehlt der Mechanismus, das, was andere glauben könnten, aufzunehmen, zu repräsentieren. Sie verfügen über keine "Theorie der psychischen Welt" Deshalb können sie nicht nachvollziehen, wie Verhalten aus bestimmten mentalen Zuständen resultiert, und auch nicht begreifen, wie sich Überzeugungen und Einstellungen manipulieren lassen; deshalb fällt es ihnen schwer zu verstehen, was Täuschung und Betrug ist.
Neben dem zentralen Begriff "Theorie der psychischen Welt", der im angloamerikanischen Sprachgebrauch mit" theory of mind" umschrieben wird, gibt es noch einen zweiten zentralen Begriff bei UTA FRITH, den Begriff der "Kohärenzschwäche ": Personen mit Autismus können nur schwer verschiedene Informationen und Erfahrungen kombinieren, um die Bedeutung eines Zusammenhanges zu erkennen. Sie verstricken sich oft in Details und verlieren den Blick für das Ganze. Es ist, als ob autistischen Menschen eine große integrative Kraft fehle - der innere Drang, Sinn und Kohärenz in allen Erscheinungen zu suchen.

Gibt es einen neuropsychologischen Hintergrund für den Mangel, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können (gedanklich und emotional)?
Im Jahre 1996 erfolgte bei der Untersuchung von Affen (Gallese et al.) Zitat4 ein wesentlicher Erkenntnisgewinn zur Arbeitsweise des Gehirns: Isst ein Affe eine Nuss oder schaut er einem anderen Affen zu, der eine Nuss ist, es feuert die gleiche Klasse an Nervenzellen, die so genannten Spiegelneuronen, die z.B. im präfrontalen Kortex zu finden sind.
Das Gehirn hat demnach eine Möglichkeit sich allein durch Beobachtung zu aktivieren und die beobachtete Situation nachzuvollziehen. Auf den Menschen übertragen ist ein Zusammenhang mit der Fähigkeit zur Imitation und schließlich zur Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, plausibel. Sehe ich jemanden essen, so läuft mir selbst der Speichel im Mund zusammen. Sehe ich, wie sich jemand schneidet, so scheint es, als würde ich den Schnitt selbst spüren. Geht dies auf ganz grundlegende Fähigkeiten des Gehirns zurück?
Liegt bei autistischen Menschen eine Dysfunktion des Spiegelneuronensystems vor – und solche Hinweise gibt es – so könnte damit z.B. das Defizit an Imitaion und schließlich auch der Mangel an Empathie erklärt werden.

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Fazit

In der Forschung zum Thema Autismus ist deutlich geworden: Autismus oder autistisches Verhalten entsteht im Zusammenhang mit einer Wahrnehmungs- und Wahrnehmungsverarbeitungsstörung, die eine neurologische Grundlage hat. Viele Jahre hielt man Autismus für eine rein psychogene Störung, d. h. als psychisch verursacht. Die Hypothese lautete, dass Erfahrungen und Erlebnisse eines zunächst gesunden Kindes zum autistischen Rückzug führten.
Dieser psychogene Standpunkt wurde zumindest teilweise durch die Tatsache gestützt, dass mit den damaligen Methoden der Hirnforschung bei den Betroffenen keine neurologischen Probleme nachzuweisen waren. Darüber hinaus sahen autistische Kinder in der Regel gesund und ansprechend, oft hübsch aus. Also musste es einfach psychische Hintergründe geben!
Mit dieser Hypothese rückten sofort die Eltern als wichtigste Erfahrungsquelle für das Kind ins Blickfeld. Unterschwellige oder auch direkte Schuldzuweisungen waren die Folge. Einer empirischen Prüfung hielt die Position vom psychogen verursachten Autismus nicht stand: Man hat erfolglos versucht, im Erziehungsstil und in der Persönlichkeit der Eltern Besonderheiten festzustellen.

Gleichzeitig fand man seit den 70-er Jahren bei den autistischen Kindern und Jugendlichen immer mehr neurologische Auffälligkeiten, das Zitat von Prof. Dr. MARTIN SCHMIDT (s.o.) stellt somit das Fazit aus den vielen Jahren Autismusforschung dar. Es bleibt anzumerken, dass, wie bei anderen Kindern auch, Umweltbedingungen wie kritische oder positive Lebensereignisse, Traumatisierungen, Erziehung u.a.m. natürlich einen Einfluss auf die Entwicklung autistischer Menschen haben.
Durch die Entwicklung der letzten Jahre und die Mitwirkung der ersten Generation von Eltern können jüngere Eltern inzwischen auf ein ganz anderes Verständnis treffen, als dies früher der Fall war. Und Verständnis allein kann schon viel bewirken.
Die Forschungsergebnisse der Gruppe um UTA FRITH helfen, autistische Menschen zu verstehen, und gerade bei diesen Ergebnissen ist es an uns, uns in autistische Menschen hineinzuversetzen. Wir dürfen es nicht von ihnen erwarten, nicht weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht können.

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